Erbkrankheiten

Kann man durch Gentests Erbkrankheiten ausschließen?

Da Katzen sich auch im Labor leicht züchten lassen und die Generationen sehr schnell aufeinander folgen, ist diese Tierart ein sehr beliebter "Modellorganismus", um Erbkrankheiten zu erforschen, die auch beim Menschen eine Rolle spielen. Forscher versuchen zu verstehen, wie das Zusammenspiel gesunder Gene funktioniert und was bei Mutationen schief läuft. Ein Nebenprodukt dieser Forschungen sind eine wachsende Zahl von Gentests für Katzen, die bestimmte Krankheitsgene oder beanchbarte Gene nachweisen.

Ein sehr zuverlässiger Test ist z.B. der Test für ein Gen, das bei Perserkatzen und damit nah verwandten Rassen (Britisch Kurzhaar, Exotic, Birma, Ragdoll, usw.) PKD verursacht. Das ist eine tödlich verlaufende Krankheit, bei der bereits in jungen Jahren die Nieren durch Zysten zerstört werden. Dieses Krankheitsgen entstand bei einem Vorfahren der heutigen Perser durch eine Mutation eines Gens, dass zum gesunden Funktionieren der Nieren benötigt wird. Das dabei entstandene mutierte Gen ist dominant, so dass bereits eine Kopie ausreicht, dass die Katze Nierenzysten entwickeln wird. Man schätzt, dass weltweit 38% der Perser davon betroffen sind (Quelle: Laboklin). Durch den Gentest kann man bei Persern und Perser-Mischlingen das Gen sicher nachweisen und verhindern, dass Katzen, die das Krankheitsgen tragen, in die Zucht kommen. Der Gentest ist also für Perserzüchter und Züchtern von Rassen, die von Persern abstammen oder in die Perser eingekreuzt wurden, ein sehr hilfreiches Werkzeug, um zu verhindern, dass Kitten geboren werden, die aufgrund des bekannten PKD-Gens an PKD erkranken.

Wie ist das aber bei anderen Rassen? PKD ist leider nicht auf Perser und deren Verwandtschaft begrenzt und auch deren Züchter würden gerne einen Gentest anwenden, um PKD bei ihren Katzen auszuschließen. Nur leider geht das nicht so einfach. Stellen Sie sich vor, Sie nehmen ein mehrere Hundert Seiten dickes Handbuch und spritzen auf einer zufällig ausgesuchten Seite Tinte drüber, um Teile des Textes unleserlich zu machen. Würden Sie das ein zweites Mal tun, dann wäre es sehr unwahrscheinlich, dass Sie genau denselben Text zerstören. Genau das gleiche gilt für Mutationen. Die PKD-Mutation bei einem Perser ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine andere als bei nicht verwandten Rassen, weil zwei Mutationsereignisse nie an genau derselben Stelle auftreten. Auf den Test bezogen bedeutet das, dass er nur sinnvoll bei Persern und Persermischlingen angewendet werden kann. Für andere Rassen muss ein eigener Test entwickelt werden, weil auch sie an PKD erkranken, obwohl sie nachweislich frei vom Krankheitsgen der Perser sind.
Umgekehrt ist das Auftreten derselben Mutation bei unterschiedlichen Rassen ein Hinweis darauf, dass sie in der Vergangenheit einen gemeinsamen Vorfahren hatten, der die Mutation trug und sie an Nachkommen weiter gegeben hat, die zu den Vorfahren sich auseinander entwickelten Rassen wurden. So kommen die meisten Fellfarben bei sehr vielen unterschiedlichen Rassen vor, weil sie schon viel früher entstanden als die verschiedenen Rassen.

Dasselbe gilt für einen Test auf ein Gen, das bei Maine Coons HCM verursacht. Auch dieses Gen betrifft vor allem diese eine Rasse und deren Mischlinge. Wird eine Katze einer anderen Rasse genetisch als HCM-frei getestet, so ist dieses Ergebnis zwar richtig, sagt aber gar nichts darüber aus, ob die Katze vielleicht eine andere Mutation dieses Gens trägt, die genauso zu HCM führt, aber mit dem Gentest nicht nachweisbar ist. Ein weiteres HCM-Gen wurde bei der Rasse Ragdoll entdeckt, das aber auch rassespezifisch ist.

Obwohl die Firma Laboklin ihr Geld u.a. mit Gentests verdient, lautet auch dort das Fazit:
"Tests, die für die entsprechende Rasse nicht beschrieben sind, sind daher auf keinen Fall zu empfehlen. Sie bergen zwei Risiken: Das meist negative Ergebnis täuscht Freiheit von einer Erkrankung vor, für die für diese Rasse kein etablierter Test vorliegt. Ein etwaiges positives Ergebnis ist ohne gleichzeitige Erkrankung, wie man es bei Konduktoren ja immer antrifft, ohne vorherige breite wissenschaftliche Absicherung kein Beweis. Untersuchungen dieser Art sollten wissenschaftliche Einrichtungen durchführen, die über die Suchtests Hinweise auf Vorliegen identischer Mutationen in verschiedenen Rassen erhalten können. Eine Absicherung der Relevanz durch groß angelegte Studien sollte dann folgen. Solange Tests für eine spezielle Rasse nicht etabliert sind, sind Ergebnisse bzgl. ihrer Aussage deutlich eingeschränkt. „Ungezielte“ genetische Untersuchungen einer Rasse hinsichtlich Mutationen, die lediglich für andere Rassen bestätigt wurden, sind daher nicht empfehlenswert und kosten nur Geld."

 

Autor: Dr. Silke Sandberg