Krankheitsgene

Was sind Krankheitsgene?

Gene könnte man ganz vereinfacht als Bauanleitungen für Eiweiße beschreiben. Eiweiße haben im Körper die unterschiedlichsten und meist unverzichtbare Aufgaben und sind verantwortlich für alles, was die Katze an individuellen Merkmalen aufweist. Diese Merkmale zeigen sich nicht nur in der Fellfarbe oder Felllänge, in der Form der Ohren oder des Kopfes, sondern auch im Körperbau, dem Bau aller Organe inkl. Knochen oder Gelenken oder der Fähigkeit, sich mit Krankheiten auseinander setzen zu können und einen gut funktionierenden Stoffwechsel zu haben.

Nun kann es vorkommen, dass so eine Bauanleitung beschädigt wird oder verloren geht. Das kann einzelne Buchstaben betreffen, ganze Worte oder Abschnitte, die dann nur völlig sinnentstellt gelesen werden können. Genetiker nennen so ein Ereignis eine Mutation. Passiert so etwas in einer einzelnen Körperzelle, dann führt das im schlimmsten Fall zu Tumoren, hat aber in den meisten Fällen gar keine Auswirkungen. Solche beschädigten Bauanleitungen kommen bei jedem Lebewesen recht häufig vor, werden aber in der Regel sehr effektiv ausgebessert oder entfernt, ohne das davon äußerlich etwas zu bemerken ist.

Problematisch ist es jedoch, wenn eine Mutation, also so ein Fehler in den Bauanleitungen, eine Eizelle oder Samenzelle betrifft. Eizelle und Samenzelle vereinigen sich und väterliche und mütterliche Erbanlagen, d.h. genau diese schon erwähnten Bauanleitungen, werden zusammengefügt und bilden eine gemeinsame Bibliothek für alles, was ein Organismus über den Bau von Eiweißen wissen muss. Von der ersten Zelle ausgehend, die durch die Vereinigung von Ei- und Samenzelle enststanden ist, wird die Erbinformation bei jeder Zellteilung kopiert, so dass alle Zellen, die beim Wachstum eines Lebewesens gebildet werden, dieselbe Information besitzen.

Sind schon in der ersten Zelle Mutationen vorhanden, so sind sie in allen weiteren Zellen auch enthalten. Heutzutage weiß man, dass jedes Lebewesen eine gewisse Anzahl an tödlichen Mutationen in sich beherbergen. D.h. ein für wesentliche Prozesse wichtiges Gen ist so stark verändert, dass das resultierende Eiweiß seine Aufgaben nicht mehr effektiv, nur verändert oder gar nicht erfüllen kann. Dass man davon meistens nichts merkt, liegt daran, dass so gut wie jede Anleitung in jeder Zelle in 2 Kopien vorliegt - eine, die vom Vater stammt und eine von der Mutter. Ist nun z.B. die mütterliche Kopie beschädigt, so übernimmt die vom Vater stammende ihre Aufgaben (oder umgekehrt). Im Falle so einer Mutation spricht man von einem rezessiven Gen. Äußerlich wirksam wird das rezessive Krankheitsgen erst dann, wenn beide Kopien denselben Fehler tragen. In der Zucht spricht man dann von der Reinerbigkeit eines Merkmals.

Im Gegensatz zu rezessiven Genen gibt es jedoch auch Mutationen, die auch dann zu Veränderungen führen, wenn sie nur eine Kopie eines Gens betreffen. Ein harmloses Beispiel dafür betrifft das Gen w, das etwas damit zu tun hat, dass das wachsende Haar mit Farbpigmenten eingefärbt wird. Normalerweise fällt seine Wirkung nicht auf, weil die Anleitungen für den Bau der Farbpigmente selbst in anderen Genen enthalten sind. Vor vielen Katzengenerationen kam es zu einer Mutation in diesem Gen w und die veränderte Bauanleitung wird Gen W (das große "W" steht für "white") genannt. Sie bewirkt, dass die Bildung von Farbpigmenten in den Haarwurzeln unterdrückt wird und das Haar völlig frei von Farbpigmenten und somit weiß ist. Obwohl eine solche Katze die Anleitung für die Bildung von Farbpigmenten besitzt, verhindert das Gen W, dass sie überhaupt angewendet wird. Von diesem Gen W reicht bereits eine Kopie aus, damit die Katze keine Farbpigmente in allen Haarwurzeln bilden kann. Man sagt: das Gen W ist dominant über die nicht mutierte Form w.

An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass die in den Genen enthaltenen Informationen sich häufig auf andere Gene auswirken oder gar von ihnen abhängig sind. So wirken z.B. an dem gesunden Wachstum und der normalen Funktion der Herzmuskelzellen sehr viele unterschiedlichen Gene zusammen. Es müssen eine Vielzahl von Eiweißen in genau der richtigen Form gebaut werden und harmonisch zusammenarbeiten. Sind bestimmte Gene verändert, so kann es dazu führen, dass die Katze an einer erblichen Veränderung des Herzmuskels erkrankt. Die wohl bekannteste ist die Hypertrophe Cardiomyopathie (HCM), bei der der Stoffwechsel der Herzmuskelzellen labil ist und die Zellen schädigen kann, was irgendwann zum Tod der Katze führen kann.

Im Fall von HCM sind die Veränderungen des Herzmuskels vor dem 2. oder 3. Lebensjahr meist so gering, dass die Katzen äußerlich gesund erscheinen und selbst bei einer Ultraschalluntersuchung keine Veränderung diagnostiziert werden kann.

 

Autor: Dr. Silke Sandberg